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„Mir fehlt der Geruch von Misthaufen und frischem Heu“

Ein Lokalblatt berichtet über Geschehnisse in der Gemeinde. Noch lieber aber portraitieren wir Menschen, welche den Dorfalltag mitprägen. Im Herzen von Oberwil, an der Hauptstrasse 25, arbeitet ein Goldschmied, der einiges zu erzählen weiss.

BiBo hat in den letzten Wochen, ja Jahren viel über die Rückführung des «Bähnli», verbunden mit der Gründung des Vereins «Pro Birsigthalbahn», berichtet. Und per Zufall erfuhren wir, dass ein Oberwiler eigentlich der (Mit-)Auslöser war. Grund genug für uns, ihn zu interviewen.

BiBa: Dürfen wir ein paar Eckdaten zu Ihrer Person und dem beruflichen Werdegang erfahren?

Patrick Oppler: Meine Kindheit und Schulzeit verbrachte ich in Oberwil. ln Basel erlernte ich anschliessend das Goldschmiedehandwerk. Nach einer beruflichen Weiterbildung im Ausland arbeitete ich in verschiedenen Ateliers in Zürich und Basel. Vor 19 Jahren eröffnete ich mein eigenes Goldschmiedeatelier an der Hauptstrasse 25 in Oberwil. Seit neun Jahren arbeite ich Teilzeit. Am Montag und Dienstag bin ich zu Hause für meine Familie zuständig. Das alte Haus bietet mir im Erdgeschoss einen guten Platz für die Werkstatt und die Ausstellungsvitrinen meiner Schmuckkollektion. Mein Tätigkeitsbereich umfasst neben Neuanfertigungen in Gold und Silber alle Arten von Reparaturen und Umänderungen. Es gibt Kundinnen mit einer klaren Vorstellung, wie ihr Schmuckstück aussehen soll. Andere brauchen eine unterstützende Beratung, damit ihr Wunsch – basierend auf einem Gespräch und einer Zeichnung – in Edelmetall umgesetzt werden kann. Es kommt aber auch vor, dass ich eine defekte Lampe löten oder eine Zierleiste eines Oldtimers umändern muss. Ein Uhrmacher macht es mir möglich, antike Uhren anzunehmen, die er wieder zum Ticken bringt.

Braucht es ein ausgesprochenes handwerkliches Geschick, um ein guter Goldschmied zu sein?

Die wichtigsten handwerklichen Grundlagen erhält der Lehrling in der vierjährigen Goldschmiedelehre. Während der relativ langen Lehrzeit zeigt sich, ob einem das Handwerk entspricht. Die vielen verschiedenen Techniken im Schmuckbereich sind alle lernbar. Wichtig ist die Erfahrung, die der Goldschmied in seinen Gesellenjahren sammelt. Geduld, Liebe zum Detail, Genauigkeit und Freude am Gestalten sind Voraussetzungen, um im Beruf glücklich zu werden.

Sind in Ihrem Berufssegment die «Gross-Discounter» auch die grösste Konkurrenz für Ihr Handwerk?

Es gelangt viel Schmuck aus Billiglohnländern zu uns. Schmuckkollektionen in grosser Stückzahl zu attraktiven Preisen aus edlen und unedlen Materialien sind überall zu kaufen. Die tiefen Preise machen ein spontanes Kaufen möglich. Nicht nur im Schmucksektor, sondern auch im Wohnbereich oder auch bei den Lebensmitteln. Ein Ring, um beim Schmuck zu bleiben, der beim Goldschmied hergestellt wurde, sollte sich in seiner Einzigartigkeit, handwerklichen Qualität und Persönlichkeit von der grossen Masse unterscheiden. Wir Goldschmiede sind gefordert, damit unsere Produkte überzeugen.

Ihr Atelier liegt im Herzen von Oberwil. Das Gebäude soll sogar «historisch» sein. Können Sie uns dazu mehr sagen?

Das ehemalige Bauernhaus und erste Schulhaus in Oberwil befindet sich zentral im Dorfkern an der Hauptstrasse und wurde 1643 neu errichtet. Johann Jakob Wehrli vermachte sein zweites Haus der Gemeinde, das von 1787 bis 1827 als Schulhaus diente. Der Lehrer bekam die Wohnung im 1. Stock und das Erdgeschoss diente als grosse Schulstube, in welcher heute mein Goldschmiedeatelier eingerichtet ist. Der Schulmeister erhielt einen anständigen Lohn. Trotz regelmässigem Salär und Naturalien musste der Lehrer nebenbei Landwirtschaft betreiben, weshalb ihm zur Selbstversorgung der westliche Fachwerkteil als Ökonomiebau und ein Krautgarten zur Verfügung gestellt wurden (Quellennachweis: www.baselland.ch).

Wir haben gehört, dass Sie seinerzeit (im Jahre 2009) auf die drohende Verschrottung des «Bähnli» aufmerksam gemacht haben und somit der Mit-Auslöser für den Verein «Pro Birsigthalbahn» waren. Welchen Bezug haben Sie denn zum einstigen «blauen Bähnlin»?

Es ist sehr erfreulich, dass nun eine Zugskombination des alten Birsigthalbähnli wieder im Leimental zurück ist. Eine riesige Leistung all derer, die mit viel Engagement und Hartnäckigkeit dies ermöglicht haben. Roland Nauli hatte mich vor Vier Jahren im Atelier besucht und ich erwähnte einen Artikel in der Basler Zeitung über die drohende Verschrottung des Bähnli. Roland „fing Feuer“ und dank seiner Begeisterung führte er seine Vsion zum Erfolg. Das Bähnli habe ich in bester Erinnerung. Mich beeindruckte es als Bub, wie die Billetteure die einzelnen Wagen während der Fahrt durchquerten, und es machte mir im Nichtraucherabteil Freude, mein rosarotes Mehrfahrtenkärtli zum Abknipsen zu geben.

Wie hat sich denn Oberwil in den letzten 30, 40 Jahren verändert? Und wie würden Sie einem Ortstfremden Ihre Wohngemeinde erklären?

Mein Schulweg vom «Chindski» oder vom Wehrlinschulhaus nach Hause war geprägt von vier Bauernbetrieben. Im Winter konnten wir Kinder auf der Wiese des heutigen Thomasgartenschulhauses schlitteln. Das gehört in die Vergangenheit. Oberwil gilt heute als beliebtes, stadtnahes «Dorf» mit allen Vorteilen, welche eine moderne Gemeinde attraktiv machen. Mir fehlt der Geruch vom Misthaufen und im Sommer von frischem Heu.

Wir danken Herrn Oppler für das Gespräch und die interessanten, historischen Ausführungen. Auch inskünftig werden wir immer wieder Menschen vorstellen, die im Dorf wohnen und arbeiten. Nur so ist gewährleistet, dass in der Gemeinde weiterhin – und zwar generell – ein goldenes Handwerk weiterlebt.

Text und Interview: Georges Küng